Emmental, Juni 2016

Eine Wanderreiterin nannte es einmal liebevoll "Umstellen auf den Wanderreitmodus". Kaum schleppe ich Packtaschen und Gepäck herbei, stellt auch Cloud auf diesen Modus um. Er weiss, dass wir länger unterwegs sein werden und gönnt sich vorher eine Priese Ruhe.

 

Gemeinsam mit Cathy will ich das Emmental erkunden. Drei Tage haben wir uns vorgenommen, in denen wir 92 Kilometer und 3000 Höhenmeter rauf und runter zurücklegen.

Um meinen jungen Wallach weder physisch noch psychisch zu überfordern habe ich ihn sorgfältig auf diesen Ritt vorbereitet. Jegliches Material wurde einem intensiven Test unterzogen.

Wir starten in Rachholtern bei Thun, reiten über den Vorschallenberg Richtung Röthenbach und übernachten in Aeschau.

Am zweiten Tag gehts weiter zur Würzbrunnenkirche und dem Chuderhüsi, über Signau und die Mooseeg und übernachten dort bei Bekannten. Am dritten Tag gehts retour über Zäziwil nach Fahrni.

 

Für unseren Ritt haben wir uns von Ernst Schläpfer, Wanderrittführer und Mitglied der Deutschen Wanderreit-Akademie, beraten lassen. Ernst bietet geführte Ritte im Emmental an (www.wanderreiten-emmental.ch).

 

Nachdem von Ernst jegliche unmöglichen Wege eliminiert worden sind, haben wir uns daran gemacht die Route nach unseren Vorstellungen zusammenzusetzen.

Das Ergebnis ist ein Rundritt - wir freuen uns aufs Abenteuer!


Tag 1: 31 Kilometer, 8 Stunden Reitzeit

 

Frisch und voller Tatendrang starten wir um 12.00 Uhr. Die Regenklamotten haben wir vorsorglich nicht zu fest angezurrt. Der Wetterbericht sagt Regen für die nächsten Tage voraus, aber momentan scheint noch die Sonne. Das Gute an regenreichem Wetter ist das Fernbleiben lästiger Insekten. Ich würde sagen: besser hätten wir es nicht treffen können!

Wir reiten los Richtung Rohrimoos/Heimenggbann nach Süderen, Oberei wo uns bereits der erste Anstieg Richtung Vorder-Naters erwartet. Die Landschaft ist bereits hier atemberaubend!

Fast wie im Jura! Juratannen wohin das Auge blickt, saftige Matten, Rinder die sich auf den Weiden tummeln. Der Unterschied liegt lediglich darin, dass die Törchen bedeutend mühsamer zum Öffnen sind. Die Rinder sehr gwundrig ab ihren Besuchern und die Aussicht gewaltig ist.

 

 

 

Wir reiten weiter von der Bode zur Hinteren-Bode und biegen vor Vorder-Naters in den Rouchgratwald hinein.

 

Der Rouchgrat selber wird als Übungsort für die Schweizer Armee benutzt. Dort finden regelmässigen Übungen und Schiessübungen statt.

Der Anfang dieses Gebietes ist jedoch mit unübersehbaren Infotafeln markiert, auf denen eine Telefonnummer steht, die einem Auskunft gibt ob und wann der Rouchgrat passiert werden kann.

Wir haben Glück, die Soldaten sind zwar da, aber geschossen wird momentan nicht (mehr).

So ziehen wir weiter und es ist schon eindrücklich, mitten durch ein Übungsgelände reiten zu können. Nach einer der vielen Kurven fanden wir uns plötzlich in einer Truppe von Grenadieren wieder. So überraschend sie aufgetaucht sind, so rasch waren wir auch wieder weg. 

 

Viele Weidetore, ein Gewitter, ein paar Regenschauer und einige Stunden später ritten wir zum Chapf hinauf.

 

Ein Emmentaler sagte einmal: "Vielfältig ist halt das Wesen der Emmentaler in diesem urigen Land, in dem es eben nicht nur Hügel und Täler gibt, wie man in den grossen Städten meint. Hier ist ein ­Hügel auch ein Hoger, ein Grat, ein Horn, ein Chapf, ein Kamm oder ein Chnübeli."

(Quelle: Die Weltwoche -  http://bit.ly/28O6vkh)

 

 

Obwohl wir bereits eine beachtliche Strecke hinter uns hatten, waren wir noch lange nicht am Ziel. Die Aussicht vom Usserchapf war wunderschön.

Und spätestens bei dieser kleinen Käserei bei Aeschau sind wir so richtig im Emmental angekommen :-)

 

Nur ein Kilometer weiter trafen wir auf den Westernstall bei dem wir unsere beiden Pferde über Nacht einstallen konnten.

Wir selber übernachteten im BnB von Salome und Thom Wieland (www.wielandleben.ch). 

Das BnB liegt wunderschön gelegen mit direktem Blick auf den Hohgant in einem Bauernhaus. Es wird mit viel Herz und Wärme geführt und ich fühlte mich sehr herzlich willkommen und habe ärdäguet geschlafen. Ich kann das BnB von Wielands nur wärmstens empfehlen! Besonders das Frühstück mit regionalen Produkten und kleinen Besonderheiten aus eigener Produktion war super!


Tag 2: 27 Kilometer, 7 Stunden Reitzeit

 

Den zweiten Tag begannen wir mit einem reichhaltigen Frückstück mit Leckereien aus eigener Produktion und regionalen Spezialitäten.

Danach boten Wielands uns an zum Stall zu fahren, dieses Angebot nahmen wir sehr gerne an - es sind wahnsinnig liebe Leute!

Shayana und Cloud hatten eine gute Nacht hinter sich und beide hatten sich den Spuren im Fell nach zu schliessen hingelegt.

 

Wir starteten gegen 10 Uhr mit einem knackigen Anstieg  von 700 M.ü.M. auf 1000 M.ü.M.. Es regnete, aber besser kühl und nass als heiss und so marschierten unsere beiden Pferde motiviert und mit frischem Elan los. Das erste Etappenziel für heute war die Würzbrunnenkriche, bekannt aus den Gotthelf-Verfilmungen.

Die kleine romantische Kirche ist ungefähr 1000 Tausend Jahre alt. Zuerst als Holzkirche erbaut, wurde sie 1494 nach einem Brand vollständig im spätgotischen Stil wieder aufgebaut. 1779 wurde das Innere mit Bibelversen versehen.

Die Würzbrunnenkirche gehörte zum Cluniazenserkloster Rüeggisberg und wurde von zwei Mönchen (1 Prior und 1 Priester) verwaltet. Wollte jemand seine Tochter verheiraten, so hatte dieser ebensoviel dem Prior zu überlassen wie der der Braut als Aussteuer mitgab. Wollte jemand wegziehen, verlangte das Kloster zwei Drittel seiner Güter. Die Rechte der kirchlichen Obrigkeit standen demnach über denen der einfachen Leute. Ich bin froh, nicht in dieser Zeit gelebt zu haben.

Nichtsdestotrotz strahlt das Kirchlein einen ganz eigenen Charme aus und ist bei Hochzeitspaaren sehr beliebt.

Etwas weiter oben im Wald befindet sich der Aussichtsturm "Chuderhüsi", der vorallem bei schönem Wetter von Touristen regelrecht überrennt wird. Heute war keine Menschenseele dort und das Spannsegel am Fusse des Turms diente uns hervorragend für eine kurze Pause im Trockenen.

 

Es folgt ein sehr langwieriger und nicht enden wollender Abstieg Richtung Steinen. Das Wetter und der nasse Boden zwingen uns auf die normale Nebenstrasse auszuweichen anstelle der kleinen Wanderwege.

Bei Ryffersegg halten wir an für eine kurze Mittagspause.

Bei der Vorderen Schwändi steigen wir runter zur Schnellstrasse, die nach Signau führt.

Neben der Schnellstrasse befindet sich eine kleine Nebenstrasse, auf der wir sicher nach Signau gelangen.

Nach der Ruhe und Beschaulichkeit wirken die vorbeirasenden Autos etwas surreal.

 

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In Schüpbach reiten wir Richtung Niedermatt und Niedermattgraben. Von dort aus führt uns ein märchenhafter Weg mitten durch ein Tälchen und schlängelt sich sanft den Hügel hinauf. Ein wunderschöner Flecken Erde!

Oben angekommen werden wir mit der wunderbaren Aussicht von der Mooseegg auf belohnt.

Es ist 16:00 Uhr. Zu früh zum Z'Nachtessen, daher beschliessen wir unsere heutige Route zu beenden und reiten weiter zu Eva und Hansueli Webber (http://www.maultiertrekking.ch/) .

Dort übernachten wir im Massenlager in einem kleinen Stöckli. Es ist frisch und der Regen prasselt aufs Dach. Keine Fremdgeräusche, absolute Stille bis auf das Umhergehen der Pferde unten im Stall umgeben uns - ich habe selten so gut geschlafen!


Tag 3: 35 Kilometer, 9.5 Stunden Reitzeit

Unsere heutige Route wird die anstrengendste Etappe des ganzen Rittes sein.

Nach einem ausgiebigen Frühstück für Vier- und Zweibeiner reiten wir los.

Von Marlebegschür gehts los Richtung Strick und werden wir erneut mit einer traumhaften Aussicht belohnt.

 

 

Bei Waldhäusern erreichen wir den Blasenwald und ... verreiten uns prompt. Der Weg hat schön angefangen und endete schliesslich in einem Himmelfahrtskommando, weswegen wir beschlossen das Risiko nicht einzugehen und umzudrehen. Was auf der einen Seite der Blasenfluh so gespenstisch und finster ausgehen hat, ist auf der anderen Seite hell und freundlich.

Ruhig steigen wir auf 1115 M.ü.M. hinauf und werden mit einer eindruckenden Aussicht belohnt. Für mich ist das einer der Höhepunkte dieses Rittes.

Danach geht's runter: Wir streifen Oberthal, Schwande, umreiten den Stäffisberg und finden uns anschliessend im Buelebergwald wieder. Hier stellt sich die Frage ob wir den steilen Abstieg nach Zäziwil wagen wollen oder nicht. Auf relativ kurzer Strecke führt ein schmaler Pfad von 927 M.ü.M. direkt auf 686 M.ü.M.

Der Boden ist vom tagelangen Regen aufgeweicht und glitschig.

Das erste Teilstück rutschen wir gekonnt und mehr oder weniger sicher hinunter. In der Mitte des Weges beschliessen wir selbstbewusst, dafür heil und sicherer, einem Bauern über die Einfahrt zu trampeln. Das letzte Teilstück wäre noch einmal ein Stück stotziger gewesen. Bei diesen Bodenverhältnissen für unsere Pferde und uns nicht machbar.

Und plötzlich ist es vor uns: Zäziwil. Nach drei Tagen Ruhe und Natur pur, ist ein belebtes Dorf ein wahrer Kulturschock.

In Zäziwil besuchen wir den Beck (mehrmals), essen bis wir pappsatt sind und lassen die Pferde ausgiebig grasen. Vor uns wartet ein langer Aufstieg, den ich von meinem Zweitäger eine Woche zuvor noch gut in Erinnerung hatte.

Von 686 M.ü.M. steigen wir auf 1162 M.ü.M. hinauf. Cathy findet auf der Karte eine Alternative zu meiner Route von letzter Woche und die lässt sich wirklich sehen. Auch wenn es ein mühsames Stück Weg ist, landschaftlich ist es mega schön. Leider habe ich davon keine Bilder gemacht.

Mein Duracell-Häschen unter mir marschiert nach wie vor mit gespitzten Ohren vorwärts. Obwohl wir drei anstrengende Tage hinter uns haben und sich die heutige Strecke sehen lassen kann findet er es super unterwegs zu sein.

Auf dem Chnubel angekommen gönnen wir uns noch einmal eine Pause, vor dem nächsten steilen Abstieg und geniessen die Aussicht auf das Tal.

Was folgt ist ein Beintöter schlechthin. Der Abstieg vom Chnubel runter nach Reckiwil beschehrt und Gummibeine.

Unten angekommen fallen wir gefällte Tannen mehr oder minder stöhnend ins Gras. Da kann der Stier auf der Weide nebenan noch so laut Schnaufen - aufstehen wäre eh unmöglich.

Wackelig laufen wir an Linden vorbei, duchqueren den Weiler Grafebüel und steigen vom Hinderchnubel aus auf die Schaffegg hinauf.

Ganz ehrlich: ich bin selten ein steileres Stück Weg über eine dermassen lange Zeit hinaufgeritten!

Wir ziehen weiter Richtung Heimat und können nun schon das erste Mal den Allmendhoger sehen und vor uns direkt zieht sich die Stockhornkette über den Horizont. Nur noch einmal Bergli runter, Bergli rauf und Bergli runter und wir sind zu Hause.

So langsam wir das Duracell-Häschen auch etwas müde(r). Von einem Motivationsverlust ist jedoch bei weitem nicht die Rede.

Am Fusse der Schaffegg lassen wir die Pferde grasen und geniessen die wunderbare Aussicht.

Wir steigen von 1196 M.ü.M. hinunter auf 778 M.ü.M. und der Abstieg will und will nicht enden. Während sich langsam die Beine wie zwei stumpfe und leblose Anhängsel anfühlen, kann es Cloud nicht lassen zu drängeln. Wir sind ihm zu langsam. Er hat kein Verständnis für die Trödelei und fühlt sich in seinem Grundwohlfühltempo durch mich Schildkröte gestört.

Ich sage ihm, er sei ein sturer grössenwahnsinniger Esel aber selbstverständlich lässt ihn das kalt.

Fast unten angekommen übermannt uns dann doch die leichte Hysterie der Erschöpfung. Lachend und japsend liegen wir am Boden - alles tut weh: die Beine, der Rücken - einfach alles. Und mein Pferd will immer noch weiterlaufen und versteht die unnütze Unterbrechung nicht.

Mehr oder minder schwammig krackseln wir nach dem Eybrüggli auf die Rücken unserer vierbeinigen Helden und steigen den letzten Anstieg hoch auf die Allmend.

Und während Cathy mit Shayana in den Sonnenuntergang reitet werfe ich einen Blick zurück - schön wars die letzten drei Tage, sehr schön sogar!

 

Glücklich und mit Gummibeinen kommen wir in Fahrni an, wo Jacqueline ein tolles Erinnerungsfoto an diesen Ritt knipst
Glücklich und mit Gummibeinen kommen wir in Fahrni an, wo Jacqueline ein tolles Erinnerungsfoto an diesen Ritt knipst